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2 Im Haus des Aradan-Fürsten

Updated: May 15, 2023

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„Wenns stimmt, sind wir gleich da. Kohlings Anwesen befindet sich zwischen dem Sai Tul Tower und dem Großen Säulentheater, direkt über dem Shutterfield Center. Wahnsinn“, Barres starrt wie gebannt auf den aufgeklappten Bildschirm seines Smartphones, „das Anwesen hat drei Landeplattformen, eine eigene Bahnstation und verfügt über vier Sendemasten.“

„Die Vorteile, wenn dir ein Personentransportunternehmen gehört.“

Wir biegen mit dem Flugtaxi um einen mächtigen Gebäudekomplex und finden uns auf einem der größten Verkehrswege von Falano wieder, dem Ban Ki-moon Boulevard. Dutzende Schiffe über und unter uns, einer unsichtbaren Ordnung folgend, nähern wir uns dem Shutterfield Center, einem großen Wirtschaftskomplex mit unzähligen Büros und Einkaufsmöglichkeiten.

„Dürfen wir oben landen?“

Meldet sich unser Pilot zu uns nach hinten.

„Selbstverständlich, wir sind im Auftrag der Behörden hier.“

„Aye-aye, dann sind wir gleich da.“

Einen kurzen Augenblick später fühle ich auch schon, wie wir uns langsam absenken und schließlich auf der Plattform aufsetzen.

„Da wären wir, meine Herrschaften.“

„Vielen Dank, ich überweise Ihnen sofort die Fahrtkosten.“

Gibt Sean dem Piloten zurück und hält daraufhin sein Handgelenk an ein kleines integriertes Terminal des Taxis heran. Das Geld wird abgebucht und wir steigen aus.

Ein Prestigepalast, ohne jeden Zweifel.

Eine übertriebene künstliche Gartenanlage, Springbrunnen und Skulpturen, die nur von der Erde stammen können.

„Da hat sich ja jemand ordentlich ausgetobt. Aber sieht schön aus.“

Ich nicke meinem Kollegen nur zu, dann eilt auch schon ein offensichtlich Bediensteter des Hauses zu uns heran.

„Willkommen auf dem Kohling Anwesen, was kann ich für die Herrschaften tun?“

„Wir müssen Herrn Kohling sprechen, ist er hier?“

Der Bedienstete schenkt uns ein aufgesetztes Grinsen.

„Haben Sie denn einen Termin bei Herrn Kohling?“

„Wir kommen im Auftrag der Ordnungswache, wir haben Dringliches mit dem Hausherren zu besprechen.“

Sofort zeigen wir unsere Ausweise vor und der Bedienstete nickt uns zu.

„Entschuldigen Sie, ich bringe Sie natürlich sofort zu ihm, wenn Sie mir folgen wollen.“

Wir durchqueren den übertriebenen Garten und treten über eine Nebentür ins Innere des Anwesens und finden uns in einem kleinen Vorraum wieder. Einige weitere Angestellte eilen durch die Gegend und mir wird sofort klar, dass wir gerade über den Bediensteteneingang ins Innere gelangt sind.

„Entschuldigen Sie die Hektik, der Haupteingang wird gerade renoviert.“

Der Mann führt uns an eine Tür heran und wir gelangen schließlich in eine Art Herrenzimmer, mit niedrigen Stühlen und hohen Fenstern, über die nur das trübe Licht des Raumhafens hereingelassen wird.

„Herr Kohling wird sofort zu Ihnen stoßen, bitte bedienen Sie sich von den Getränken.“

„Sehr großzügig.“

Gebe ich ihm freundlich zurück und mustere das Zimmer, während es sich Barres schon auf einem der Stühle gemütlich macht.

„Ein Aradan, wie er im Buche steht, nicht wahr Herr Kant?“

Ich nicke nur, während ich versuche die Signatur des Raumes zu erfühlen. Dann schnappe ich mir wieder mein Notizbuch und fertige einige Skizzen an, bis plötzlich eine breite Tür aufgestoßen wird und ein Mann zu uns tritt.

„Willkommen auf meinem Anwesen, mein Name ist Xavier Kohling. Man sagte mir, Sie seien von der Ordnungswache?“

Barres ist kurzerhand aufgesprungen und nickt direkt.

„Mein Kollege, Herr Kant.“

„Und Herr Barres, wir hätten einiges mit Ihnen zu besprechen Herr Kohling, wenn Sie so freundlich wären.“

Ich deute ihm an, die Tür hinter sich zu schließen. Dann setzen wir uns alle an den niedrigen Tisch und Kohling blickt uns mit gerunzelter Stirn an.

„Also, meine Herren, was führt Sie zu mir? Nichts Erfreuliches, wie ich fürchte?“

Barres nickt und hält dem Hausherren sein Smartphone mit dem Foto der Verstorbenen hin.

„Kennen Sie sie?“

Die Miene des Mannes bleibt eisern. Trotz seines hohen Alters zeigen sich kaum Falten auf seinem Gesicht, doch seine ungeheure Beherrschtheit ist Zeuge eines langen Lebens genug.

„Das ist Sarah. Meine Ehefrau.“

Er senkt den Blick, dann hebt er ihn wieder langsam.

„Was ist passiert?“

„Die Ursache wird gerade untersucht. Sie wurde auf der Straße liegend aufgefunden, tot. Ein Sturz aus großer Höhe ist allerdings auszuschließen.“

„Ich kenne Leute wie Sie. Sie denken es war Mord?“

Kohling blickt mir direkt in die Augen.

„Wir können es noch nicht sicher sagen, aber es könnte sein.“

„Glauben Sie mir eines, Herr Kant, ich erkenne einen vom Orden, wenn ich ihn sehe und kein Senator dieser Stadt würde einen wie Sie für die Aufklärung eines Unfalls absetzen. Es war Mord.“

Ich lasse mich nicht weiter darauf ein.

„Wir wollen Ihnen auf jeden Fall unser Beileid bekunden und vielleicht können Sie uns etwas über Ihre Gattin erzählen? Hatte sie irgendwelche Feinde oder wurde sie gar von jemandem bedroht?“

Der Herr blickt zu Barres hinüber.

„Ich danke Ihnen. Natürlich werde ich mein Möglichstes tun, um Ihnen bei der Aufklärung dieser schrecklichen Tat zu helfen. Sarah, sie war eine gütige unwahrscheinlich feinfühlige und kluge junge Frau. Ich habe sie auf einer Gala in Wien kennengelernt. Sie war wie ich ein großer Fan zeitgenössischer Kunst und als Studentin an der Kunstuniversität von Wien durfte ich als ihr Mäzen auftreten. Es wird wohl einige ihrer Kolleginnen gegeben haben, die sie beneidet haben, aber böses Blut unter ihnen wäre mir nicht bekannt.“

Barres hat sein Smartphone auf dem Tisch platziert und lässt das Gesprochene direkt transkribieren.

„Wer könnte von dem Tod Ihrer Gattin profitieren? Fällt Ihnen irgendjemand ein?“

Der ältere Herr zuckt mit den Schultern.

„Ohne überheblich wirken zu wollen kann ich mir eigentlich nur vorstellen, das dieser Schlag gegen mich gehen soll. Sie war mein Augapfel, meine Allerliebste. Es könnte sich um eine Drohung gegen mich handeln.“

„Warum sollte Sie jemand bedrohen wollen?“

„Natürlich habe ich nichts gesetzeswidriges unternommen, aber ich wäre auch ein Idiot gewesen, entschuldigen Sie diesen Ausdruck, hätte ich meine Position im Kuratorium nicht genutzt.“

Ich runzle interessiert die Stirn.

„Mein Unternehmen, die Farlines, hat den Auftrag für sämtliche Bereiche des öffentlichen Personenverkehrs in Falano erhalten, wohl für die nächsten zehn Jahre. Außerdem ...“

Kohling hält inne, während sein Blick durch das Zimmer schweift.

„Außerdem?“

Bohre ich nach.

„Folgendes ist unter aller strengster Geheimhaltung zu behandeln, kann ich mich auf Ihr Stillschweigen verlassen? Es handelt sich um Insiderwissen, aber es könnte nicht unerheblich für Ihre Ermittlungen sein und ich will unbedingt, dass wer auch immer mir Sarah genommen hat, zur Rechenschaft gezogen wird.“

„Selbstverständlich, unsere Ermittlungen unterliegen der Geheimhaltung der Ordnungswache.“

“Und der Börsenaufischt, was das betrifft.“

Wirft Barres ein.

„Gut, denn wir haben in der Firma Pläne ausgearbeitet, um noch weiter zu expandieren. Der Auftrag der Stadt für den gesamten öffentlichen Personenverkehr soll genügend sicheres Kapital liefern, damit wir auf den Gütertransport ausweiten können. Farlines würde den Güter- sowie Personenverkehr mehrheitlich dominieren.“

Das nenne ich mal einen ordentlichen Plan.

„Ich kann mir durchaus vorstellen, dass das einigen nicht so gut gefallen wird, haben Sie denn eine Vermutung, wer davon wissen könnte?“

Kohling schüttelt den Kopf.

„Leider nein, wie schon gesagt wurden sämtliche Pläne unter strengster Geheimhaltung ausgearbeitet.“

„Wissen Sie was Ihre Frau in der Nähe des Kreisky Boulevards gemacht haben könnte?“

„Ist das der Ort, an dem sie gefunden wurde?“

Barres und ich nicken nur stumm.

„Ich kann es mir nicht erklären, womöglich war sie auf dem Weg zur Galerie, sie stellt einige ihrer Werke im Voilé Center aus, ich habe dort für sie einige Räume angemietet. Aber keine meiner Frauen muss Rechenschaft vor mir ablegen, wenn sie irgendwo hingehen will. Der Founders Circle ist ja im Grunde keine gefährliche Gegend.“

Zumindest nicht für einfache Leute.

„Im Voilé Center, haben sie einen Schlüssel für die Galerie? Wir würden uns dann gerne dort umsehen.“

„Ein Schlüssel wird nicht nötig sein, wir haben dort einen Portier, ich werde ihm mitteilen, dass Sie beide kommen werden, dann können Sie direkt hineingehen.“

Der Großunternehmer tippt nervös mit seinen Fingern auf seinem Oberschenkel.

„Wissen Sie... wie ist sie...“

Ihm bricht die Stimme ab.

„Die Ursache ihres Todes ist noch unklar. Es gab allerdings kein Blut und keine offensichtlichen Verletzungen.“

„Wir hätten sonst fürs Erste keine weiteren Fragen mehr, wir müssen Sie allerdings bitten Falano in nächster Zeit nicht zu verlassen und sich zu unserer Verfügung zu halten.“

Der Ältere nickt. Wir stehen auf und wollen uns auch schon auf den Weg machen, da lässt uns Kohling noch einmal kurz in der Tür innehalten.

„Sie hatte Alpträume. Einige ihrer neueren Werke zeigen gestörte Fratzen, ich habe keine Ahnung woher das kommt, aber in letzter Zeit sind sie sehr intensiv geworden. Der Orden kennt sich doch mit so Sachen aus, vielleicht werden Sie schlau daraus“, Kohling blickt zu Boden, „meine Therapeuten und Seelsorger waren jedenfalls machtlos gegen ihre inneren Dämonen.“

Ich nicke ihm ein weiteres Mal knapp zu. Keine unwesentliche Information.

Barres und ich machen uns zu den Landeplattformen auf und nehmen direkt ein Taxi zum Voilé Center.

Zeig uns deine Dämonen Sarah.



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