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7 Alumni des Ordens

Aktualisiert: 10. Mai 2023

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„Wenn Sie also keines Ihrer Bücher mit wirksamen Sprüchen oder Mantras dabei haben und einem, sagen wir mal, Wendigo gegenüberstehen, was machen Sie dann?“

Die Vortragende Dame in blauen Roben blickt auffordernd durch die Reihen des Hörsaals.

Keiner der Studenten meldet sich.

„Niemand?“

Sie wartet wieder etwas.

„Wenn Sie nichts tun, dann sind Sie alle tot, das ist Ihnen hoffentlich bewusst.“

„Man sollte auf keinen Fall weglaufen.“

„Vollkommen richtig Frau Wodanov, was sollten Sie also tun?“

Es kommt keine Antwort mehr.

Schließlich stehe ich in der hintersten Reihe auf.

„Wendigos sind Kreaturen der Nacht, jedwedes Licht ist ihnen zuwider. Eine Taschenlampe, das Blitzlicht einer Kamera oder ein kleiner Flammenzauber lassen ihn sofort die Flucht ergreifen.“ Die Vortragende blickt überrascht zu mir hinauf.

„Liebe Stundeten, wie es aussieht haben wir Besuch aus dem Alumniclub erhalten. Herr Kant war ebenfalls einer meiner Studenten, wie Sie es heute sind. Haben Sie denn noch einige Worte für uns?“

„Schwänzt nie eine von Audiatorin Kors Vorlesungen, denn sie sind gleichsam unterhaltsam, wie auch lehrreich. Außerdem habt ihr sonst keine Chance ihre Klausuren zu bestehen.“

Alle Augen sind auf mich gerichtet.

„Danke Herr Kant, was für passende abschließende Worte für die heutige Übung. Vergessen Sie bitte nicht die Kapiteln zehn und elf bis zum nächsten Mal zu lesen und wehe dem der seine Zauber nicht trainiert, für denjenigen wird es nämlich dann ganz schnell ganz schon heiß werden in der nächsten Stunde.“

Lautes Klopfen geht durch die Reihen und ich warte bis alle den Hörsaal verlassen haben und nur die Vortragende vorne am Pult zurückbleibt.

„Immerhin, Sie scheinen sich doch etwas gemerkt zu haben, von dem was ich Ihnen beigebracht habe, oder besser gesagt, beibringen wollte.“

„Na ich denke, das eigentliche Lernen findet nicht hier drinnen statt, was aber nicht bedeuten soll, dass eine Vorbereitung auf das da draußen nicht dringend notwendig ist.“

„Wie lange sind Sie jetzt schon bei der Ordnungswache? Da muss man schon was können.“

„Ein paar Jahre sind es wohl schon, aber die Qualifikationen für diese Posten sind doch recht unterschiedlich.“

„Es gibt niemanden der genau für eine Stelle passt, aber es würde mich doch stark wundern, würde man Sie dort nicht über alle Maßen schätzen.“

„Es geht so. Meine Herangehensweisen sind halt andere.“

„Und das macht Sie so kostbar für die Ordnungswache, denn was Sie können, das können selbst unter uns Walaux nur recht wenige. Und niemand der Ihre Gabe teilt, setzt sie so sehr für das Richtige ein, wie Sie, das steht außer Frage.“

„Ich versuche es, aber um ehrlich zu sein stoße ich gerade an meine Grenzen. Deshalb bin ich hergekommen.“

Die Vortragende packt ihre Unterlagen zusammen und kommt mir entgegen.

„Sie kommen zu mir? Sie wissen, dass ich das nicht so gut kann, wie Sie. Ich musste es mühsam erlernen, Ihnen wurde es praktisch in die Wiege gelegt.“

„Ich weiß, ich kann es nur zeitweise kaum kontrollieren, verstehen Sie? Die Echos, manchmal muss ich sie suchen und dann plötzlich, meistens Nachts, schreien sie mir Sachen entgegen, viel zu viele gleichzeitig, sodass nur noch ein lautes Rauschen in meinen Ohren zurückbleibt.“

Die Audiatorin runzelt die Stirn.

„Lassen Sie uns ein paar Schritte gehen, Herr Kant.“

Wir verlassen den Hörsaal und wandern die Korridore der Akademie entlang.

„Was Sie beschreiben, das kenne ich nur aus Büchern. Es soll wohl bei besonders begabten Personen vorkommen und das sind Sie wohl ohne jeden Zweifel und hätten wir noch welche gehabt, na dann wären sie damit auf jeden Fall beseitigt. Was Sie da beschreiben wird in der Literatur als ‚Vocem Noctis‘ bezeichnet und wir können hauptsächlich auf Wissen zur Zeit von Warin Walaux selbst zurückgreifen. Sehr unvollständig sind unsere Aufzeichnungen in diesem Bereich, aber es sollten sich doch noch einige weitere Artikel darüber finden lassen. Ich kann also gerne weitere Literaturstudien für Sie vornehmen, wenn Sie das möchten. Vielleicht finden wir einen Weg, wie Sie besser damit umgehen können. Hält es Sie denn lange wach?“

„Ja, das tut es, aber zuweilen will ich auch gar nicht ins Bett gehen. Es ist mir heute schwer gefallen meine Fragen an die Echos zu richten, damit sie mir ihre Bilder zeigen konnten.“

„Versuchen Sie auf jeden Fall viel zu trinken und vernachlässigen Sie Ihre Meditationseinheiten nicht. Für den Moment können wir nicht mehr für Sie tun, ich bezweifle stark, dass eine Medikation in diesem Kontext zweckdienlich wäre. Aber Sie können natürlich völlig unabhängig auch einen Mediziner hinzuziehen, sofern Sie den Verdacht haben es könnte andere Gründe haben, vielleicht gar physischer Natur.“

„Danke Professor Kor, ich würde Ihr Angebot gerne annehmen, könnten Sie tatsächlich sehen, was Sie dazu finden können?“

„Selbstverständlich.“

Wir treten in den großen Hof der Akademie hinaus.

„Aber das war nicht das Einzige, worüber Sie mit mir sprechen wollten, nicht wahr?“

„Nein das war es nicht. Es geht um einen neuen Fall.“

„Die junge Frau vom Kreisky Boulevard, nehme ich an?“

Ich runzle überrascht die Stirn.

„Wie können Sie das wissen? Falano hat fast fünfzig Millionen Einwohner.“

„Aber dieser Fall schreit geradezu nach Ihnen.“

„Das höre ich interessanterweise heute nicht zum ersten Mal.“

„Also wobei kann eine Professorin an der Akademie der Walaux, einem Inspektor der Ordnungswache bei der Aufklärung eines Mordfalles helfen? War es denn überhaupt Mord? Nicht, dass das für mich einen Unterschied machen würde, aber für die Aufklärung dieses Falles ganz bestimmt, nehme ich an.“

„Um ehrlich zu sein habe ich eine ganz andere Vermutung, aber um sie bestätigen zu können brauche ich Ihre Hilfe.“

Leya Kor hebt interessiert die Augenbrauen.

„Dann würde ich sagen, weihen Sie mich mal in Ihre Vermutung ein.“

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