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22 Besessen

Aktualisiert: 10. Mai 2023

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„Stehen bleiben, im Namen des Triumvirats!“

Wir eilen die Treppe nach unten in die Bahnhofshalle. Die junge Dame hat den Ausgang schon fast erreicht, ehe Barres seinen Blaster hervorholt und einen präzisen Schuss abgibt. Die Frau stöhnt auf und knickt vor dem Portal zusammen.

„Guter Schuss, Herr Kollege.“

„Sie können sich gar nicht vorstellen, wie sehr ich es hasse auf Leute zu schießen.“

Leya Kor tritt neben uns.

„Huh, Sie sollte ich zu meinem nächsten Jagdausflug mitnehmen, Sie sind ein Naturtalent. Das hätte ich Ihnen ja gar nicht zugetraut.“

Barres verzieht irritiert das Gesicht.

„Was? Nein, das möchte ich wirklich nicht.“

„Sie erinnern mich ein wenig an mich in Ihrem Alter, Sie können Großes erreichen, zumindest im Umgang mit Ihrem Blaster.“

Gibt Merakor im Vorbeischweben von sich.

Barres blickt mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.

„Sehen Sie nicht mich an, ich habe nur gesagt, dass es ein guter Schuss war. Verfolgen Sie Ihre Träume, nicht die der anderen, oder wie man das sagt.“

Mit Floskeln um sich werfen, das mögen die Leute.

Wir treten an die Dame heran, die jetzt zusätzlich zu ihrer Verletzung am Arm auch noch eine Schusswunde am Bein verkraften muss.

„Das Spiel ist vorbei, Dämon, zeig dich uns!“

„Ich bin nur ein armes hilfloses Mädchen und Sie haben mich angeschossen.“

Die junge Dame versucht weinerlich zu klingen, was ihr aber nur erstaunlich schlecht gelingt.

„Sollten Dämonen nicht bessere Schauspieler sein? Wie konntet ihr früher eigentlich überleben?“

Das Mädchen verzieht das Gesicht zu einem perversen Grinsen.

„Ah, Sie müssen Inspektor Kant sein, ich wurde vor Ihrem ‚ausgezeichneten Spürsinn‘ gewarnt. Sie erfahren nichts von mir.“

„Wer hat dich gewarnt? Woher kommst du und warum machst du das?“

Ein grässliches Lachen hallt durch die Bahnhofshalle.

„Hör auf zu lachen, oder ich schwöre bei Gott.“

Ich hebe die Hand abwehrend gegen Barres, der mit dem Griff seines Blasters bereits zum Schlag ausgeholt hat.

„Wenn wir das Mädchen retten wollen, sollten wir versuchen sie nicht schlimmer zu verletzten als ohnehin schon.“

Gibt uns die Professorin zu bedenken.

Ich nicke und wende mich wieder dem Dämon zu.

„Wie ist dein Name?“

„Sarah Liliac Kohling, Tilman Gandradi, Marie Curie, Naldor Kant, suchen Sie sich einen aus, Herr Inspektor.“

„Er wird uns seinen Namen nicht freiwillig verraten, wir müssen ihn dazu zwingen, dafür gibt es ein sehr wirkungsvolles Ritual, wenn ich das so in den Raum werfen darf.“

Ich nicke Polymeropulos zu.

„Ja, das wäre jetzt sicher ein sehr wertvoller Hinweis, ehe der Bahnhof wieder von Menschenmassen überrannt wird. Also wie funktioniert das Ritual?“

„Während seiner Expedition auf Elathor hat Warin Walaux ein umfassendes Wissen um die Austreibung von Dämonen und deren Bannung von einem mächtigen alten Orden erhalten, den Therwii. Dabei gelang es ihm die benötigten Texte mit den Anleitungen und Zaubern aus ihren religiösen Werken für sich zu kopieren.“

„Sehr spannend Herr Polymeropulos, wirklich, aber wir haben keine Zeit für weitere Quellenangaben, ich glaube Ihnen, dass es funktioniert. Uns bleibt nur dieser Versuch und wenig Zeit, wenn ich auf den nächsten Zug verweisen darf, also sollten wir einfach anfangen.“

„Sicher, stellen Sie sich in einem Kreis um sie herum auf und sprechen Sie mir einfach nach, wir müssen das Mantra so lange ausführen, bis er uns seinen Namen verrät. Dabei sollten wir darauf achten, dass niemand unseren Kreis während des Rituals durchbricht, das wäre dann etwas... problematisch.“

Wir kommen den Anweisungen von Merakor sofort nach und stellen uns um das Mädchen herum auf.

„Glaubt ihr diesem schwachsinnigen Geist etwa tatsächlich? Das funktioniert niemals!“

Spuckt uns die junge Dame in grausiger Art entgegen.

„Achtet nicht weiter auf seine Lügen.“

Zischt Merakor das Mädchen an.

„Beginnen Sie einfach, Herr Polymeropulos.“

Der Geist nickt und beginnt eine Melodie zu summen, die langsam in einen mystischen Sprechgesang übergeht, in den wir nach und nach alle einstimmen, ohne zu wissen, was er eigentlich bedeutet.

Das Mädchen fängt zu kreischen an, während wir weiterhin und unbeirrt die Worte wieder und wieder sprechen.

„ES BRENNT, ES BRENNT!“

Wir sprechen das Mantra weiter.

„AUFHÖREN! AHHH!“

Die junge Frau verzerrt das Gesicht zu einer scheußlichen Fratze und kreischt weiter. Ich bemerke wie einige der noch verbliebenen anderen Personen in der Bahnhofshalle furchterfüllt nach draußen eilen, während andere ihre Smartphones zücken und näher treten.

„ICH... BIN... DER... HERR... DER... TRÄUME! MEIN... NAME... IST... HADRAT!“

Plötzlich wird die Bahnhofstür wild aufgestoßen und ein Trupp an Sicherheitsleuten treibt uns von der Dame weg.

„Zurück, oder wir müssen Gewalt anwenden!“

„Sie verstehen nicht, wir müssen das hier zu Ende bringen!“

Versuche ich die Bewaffneten von unserem Vorhaben zu überzeugen. Aber wie zu erwarten ignorieren sie unsere Worte, also hole ich sofort meinen Ausweis hervor und wedle damit vor ihren Nasen herum.

„Ich bin Inspektor Kant von der Ordnungswache und Sie stören unsere Ermittlungen!“

„Das können Sie Ihrem Vorgesetzten verklickern, aber nicht uns, was auch immer Sie hier gemacht haben, hat jetzt ein Ende! Wir sind hier nicht auf der Erde wo so ein Schwachsinn vielleicht toleriert wird!“

„Wo ist das Mädchen hin?“

Die Bewaffneten drehen sich um und die junge Dame ist fort.

„Sie haben keine Ahnung, was Sie da gerade auf die Stadt losgelassen haben, meine Herrschaften!“ Zische ich die Sicherheitskräfte wütend an.

„Dort ist sie, am Bahnsteig!“

Ruft ein anderer der Bewaffneten und deutet nach oben und noch während ich mich umdrehe fühle ich bereits einen brennenden Schmerz, der durch meinen Oberschenkel schießt. Ich breche zusammen.

„Sie hat auf ihn geschossen, sie hat auf den Inspektor geschossen!“

Eine Durchsage hallt durch das Gebäude und der nächste Zug fährt ein, während das Mädchen auf die Gleise springt und mir ein grässliches Grinsen entgegenwirft, bis sie vom einfahrenden Zug bis zur Unkenntlichkeit zerdrückt und zerfetzt wird.

„Das wars, wir haben ihn verloren.“

Murmle ich, während ich auf dem Boden zusammensinke.

„Herr Kant, wir müssen die Wunde abdrücken! Wir müssen ihn ins Spital bringen! Herr Kant, Naldor, bleiben Sie bei uns!“

Barres versorgt meinen Oberschenkel und ich blicke in die besorgten Augen der Professorin, während ich mich nur wundere, wen ich im Augenwinkel beim Eingangsportal noch wahrnehme.

Emilia Schönfels?

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