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AutorenbildSilven Aku

16.2 Der Masterplan

Aktualisiert: 10. Mai 2023

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„Omilia, wirklich?“

„Ihr Name steht zumindest auf dem Papier, mehr haben wir nicht.“

„Und dieser Herr Gandradi könnte ihren Namen nicht auch selbst geschrieben haben? Warum sollte der Dämon das Ihrer Meinung nach tun?“

„Er macht Fehler.“

„Das wäre aber plump, ja ganz gravierend dilettantisch sogar. Das entzieht sich wohl meinem Verständnis von einem ‚Fehler‘ vollkommen.“

„Ich kann es Ihnen auch nicht erklären, es war wie ein Echo. Die Schublade hat mich fast angeschrien, ich bin hingegangen und hab diesen Zettel gefunden.“

„Und es ist Ihnen nicht in den Sinn gekommen, es könnte sich um eine Falle handeln? Das er genau das wollte, dass Sie diesen Namen finden?“

„Ich habe noch nie erlebt, dass jemand die Echos manipulieren könnte. Wie soll das gehen?“ Die Professorin blickt mich mit strenger Mine an.

„Herr Kant, Sie haben es nicht länger mit gewöhnlichen Sterblichen oder verweichlichten Wiedergängern zu tun. Das ist ein Dämon. Ein Kind der Hölle. Magie ist ein wesentlicher Bestandteil ihrer DNA, wenn Sie so wollen. Anzunehmen, dass sie die Echos nicht wahrnehmen können, wäre kindlicher Leichtsinn.“

„Sie glauben also nicht daran, das Omilia das nächste Opfern sein wird?“

„Nein, das kann ich mir in der Tat nicht vorstellen. Aber wenn es Ihr Gewissen beruhigt, dann statten Sie ihr gerne einen Besuch ab, sie lebt nach wie vor hier am Campus.“

„Diesen Schritt könnte sonst auch ich übernehmen, nachdem Wände für mich ja kein Hindernis mehr darstellen.“

Meldet sich Merakor zu Wort.

„Schaffen Sie das auch, ohne jemanden zu Tode zu erschrecken?“

„Hören Sie, für wen halten Sie mich? Ich bin Merakor Polymeropulos, ich alleine habe den Herrn der Lügen getäuscht, Paimon in die Ungewissheit getrieben und den Schlüssel zum Höllentor aus dem achten Kreis entwendet, ohne dass jemand Wind davon bekommen hat. Olivia Leferre auszuspionieren wird wohl ein Kinderspiel werden.“

„Omilia Lefevre.“

„Was hab ich gesagt?“

„Dann wären wir Ihnen zu großem Dank verpflichtet, Herr Polymeropulos.“ Merakor nickt uns nur nach Soldatenmanier zu und treibt durch die Wand aus dem Zimmer.

„Ein theatralischer Mann.“

Sean nickt Professor Kor zu.

„Ganz gewaltig sogar.“

„Also was sollen wir Ihrer Meinung nach tun, Frau Professor?“

„Ich bin ja seit Ihrem letzten Besuch nicht nur untätig herumgesessen, sondern habe umfassende Recherchen in der Bibliothek angestellt. Also werden wir versuchen das Ganze mittels eines Zaubers aufzudecken.“

„Das nächste Opfer also.“

Die Professorin nickt.

„Mehr kann ich im Moment wohl nicht für Sie tun, aber es scheint mir als könnten wir die Spur des Dämon zumindest für einen eingeschränkten Zeitraum sichtbar machen.“

„Das hört sich doch fantastisch an, damit könnten wir ihn kriegen!“

„Ich möchte Ihre Euphorie ja nur ungern ausbremsen, Herr Kollege, aber meistens kommt an diesem Punkt noch ein ‚aber‘.“

Sean blickt Kor erwartungsvoll an, die nur mit den Schultern zuckt und nickt.

„‚Aber‘ um einer Spur folgen zu können gilt, ähnlich wie beim Umgang mit einem Fährtenhund, dass wir zuerst die Witterung aufnehmen müssen.“

„Wir haben einige Zeichnungen von Herrn Kant, oder wir können auch aus der Asservatenkammer Stücke von dem Fall herbringen, irgendwelche Habseligkeiten etwa. Würde das reichen?“

Die Professorin schüttelt den Kopf.

„Ich fürchte nicht.“

„Was bräuchten Sie, um den Zauber durchführen zu können?“

„Jemanden der unter dem Einfluss des Dämons gestanden ist. Je länger, desto deutlicher könnten wir die Spur wahrnehmen.“

„Also würde sich Sarah am ehesten dafür eignen.“

Leya Kor nickt bedächtig.

„Ich fürchte, das ist unsere beste Chance.“

Sean steht auf und wandert durch den Raum.

„Das geht nicht. Es wäre nicht richtig.“

„Herr Barres, wir müssen es zumindest versuchen. Wenn der Dämon weiterhin sein Unwesen treibt werden sich bald die Leichenberge im ganzen Hafen auftürmen. Wenn wir Sarahs Leiche also für einen kurzen Moment entehren müssen, um andere unschuldige Lebende retten zu können, dann haben wir im Grunde keine Wahl, zumindest nicht wirklich.“

Sean hält inne.

„‚Aber‘ wie sollen wir das anstellen? Einfach so in die Pathologie hinunterspazieren, bisschen Smalltalk mit dem Onkel Doktor führen und zack im Hintergrund nekromantische Formeln auspacken und herumzaubern? Das wird nicht unbemerkt bleiben und da reden wir noch gar nicht von den Überwachungskameras, die jeden einzelnen Fingerzeig aufzeichnen werden. Haben Sie nicht gesagt, Herr Kant, dass Sie die Schwarze Magie des Dämon ohnehin irgendwie wahrnehmen können? Warum brauchen wir diesen Zauber überhaupt?“

„Im Grunde geht das ja auch, aber die Stärke der Spur verblasst bereits und Gandradi konnten wir ja nicht mal ansatzweise rechtzeitig erreichen. Ich fürchte einfach, dass meine Kräfte dafür zu schwach sind. Wir werden ihn nie fangen können und ihm immer nur hinterherjagen.“

Die Audiatorin nickt.

„Besonders in Ihrem angeschlagenen Zustand nicht. Mit dieser Formel, die ich gefunden habe, lässt sich die Präsenz des Dämon für den Augenblick des Wirkens exakt bestimmen. Damit sollten Sie ihn kriegen können.“

Sean wirft mir einen besorgten Blick zu.

„Geht es Ihnen nicht gut, Herr Kant?“

„Es ist alles in Ordnung, machen Sie sich keine Gedanken, Herr Barres. Also können wir seine Position bestimmen und ihn damit finden. Aber was dann? Wie können wir ihn unschädlich machen?“

„Das wäre dann wohl mein Auftritt.“

Merakor kommt durch die Wand des Zimmers getreten.

„Mit Ortilia ist alles in bester Ordnung, übrigens. Keine Anzeichen für irgendeine Art von Besessenheit. Die Kunst des Exorzismus bedarf jahrelanger Erfahrung, damit sie tatsächlich wirksam ausgeführt werden kann. Aus diesem Grund biete ich Ihnen an, Sie zu ihm zu begleiten. Wenn Sie meinen Instruktionen folgen, dann sollten wir das rasch erledigt haben.“

Die Audiatorin nickt.

„Das hört sich nach einem Plan an, würde ich sagen. Wir finden ihn mithilfe von Sarah und nutzen anschließend Herrn Polymeropulos’ Wissen, um ihn auszutreiben.“

„Dann klären wir morgen die Feinheiten am Präsidium, langsam müssen wir irgendetwas an den Chef Rückmelden, sonst hält er uns noch für komplett unfähig. Ich will überhaupt nicht wissen was ihm Emilia schon alles aufgeschwatzt hat.“

„Ich werde mit Cornelius morgen reden. Wenn er Emilia glauben will, soll er das von mir aus gerne tun, Hauptsache er lässt uns weiterhin freie Hand.“

„Genau das wird er dann aber nicht mehr tun, ne?“

Wir gehen zur Tür und Sean verabschiedet sich sofort, während ich noch meine Tasse zurück auf das Tablett stelle, das mir die Audiatorin hinhält.

„Herr Kant, haben Sie noch einen Moment oder zwei?“

„Natürlich, Frau Professor.“

„Ich habe außerdem weiter über Ihr ‚Problem‘ nachgeforscht. Es scheint als gebe es da etwas, das Ihnen tatsächlich helfen könnte. Allerdings wird die Suche danach womöglich etwas dauern.“

„Was ist es?“

„Eine Art Artefakt, ich bin mir nicht restlos sicher von welcher Natur genau. Ich bin in einem alten Folianten darauf gestoßen. Es scheint ein Mineral oder so etwas zu sein.“

„Ein Mineral? Dann kann man es womöglich chemisch synthetisieren?“

„Theoretisch könnte das möglich sein, nur leider gibt es keine chemische Formel die dem Verzeichnis beiliegt. Ohne seine Struktur zu kennen, können wir es nicht herstellen. Die Lektüre gibt darüber schlichtweg zu wenig Aufschluss.“

„Und steht beschrieben wo man es finden kann?“

Die Audiatorin nickt bestätigend.

„So in etwa zumindest. Also habe ich sofort einen mir gut vertrauten Captain mit einem Schiff damit beauftragt es zu beschaffen. Allerdings kann ich unmöglich sagen wann genau er zurückkommen wird.“

„Egal was es kostet, ich werde es versuchen.“

„Er schuldet mir ohnehin einen Gefallen, nachdem ich ihm bei einem Befall von Guhlwürmern auf seinem Schiff geholfen habe. Machen Sie sich also keine Sorgen um den Preis.“

„Und wie wirkt es?“

„Darüber bin ich mir ebenfalls noch nicht ganz im Klaren, vielleicht müssen Sie es konsumieren oder auch nur bei sich tragen. Auf jeden Fall müssen Sie sich darauf einstellen als Versuchskaninchen zu fungieren.“

„Sie werden es dokumentieren?“

„Natürlich, wir werden versuchen die Wirkung so gut wie möglich zu studieren und womöglich bekommen wir gar einen tieferen Einblick in das Wesen Ihrer besonderen Fähigkeiten. Gerade in unserer Situation sollten wir nicht zögern Erfahrenes gut zu dokumentieren, damit wir es Folgenden ersparen können dieselben Fehler machen zu müssen, wie wir heute.“

„Das ist eine ausgezeichnete Idee, ich bin Ihnen zu großem Dank verpflichtet, Frau Professor.“

„Danken Sie mir nicht zu früh, der Erfolg unseres Experiments hängt noch wortwörtlich in den Sternen.“

„Und der zweite Moment?“

„Richtig, mich hat Leyton Bates zu sich gebeten, er wollte mit mir über Sie sprechen, nachdem er uns angeblich zusammen gesehen hat. Dieser neugierige Spächtler hat seine Augen und Ohren wirklich überall in der Akademie.“

„Der Nuntius interessiert sich für unsere Gespräche?“

„Das habe ich mich auch gefragt, aber scheinbar hat er auch seine Informanten in Ihren Reihen bei der Ordnungswache.“

„Er hat also Wind von unserem Problem mit dem Dämon bekommen? Das könnte durchaus ein Vorteil sein, nehme ich an.“

„Nein, so viel weiß er nicht und ich möchte Ihnen nahe legen, es ihm auch nicht zukommen zu lassen. Bates ist allem voran ein Pazifist. Das im Grunde ist natürlich auch nichts Schlechtes. Aber er scheut wirklich jeden Konflikt und angesichts der vielen Unruhen mit den Anarchisten im Moment, sind seine Antennen sowieso noch weiter ausgefahren als ohnehin schon. Ihr Fall, Herr Kant, ist angesichts der Häuserunruhen äußerst delikat und heikel, das wird Ihnen schon aufgefallen sein, nehme ich an.“

„Der Dämon hat es ausschließlich auf Angehörige der Häuser abgesehen, besonders hochrangige Mitglieder. Er sucht Geliebte aus den hohen Reihen, das scheint sein Muster zu sein, zumindest bis jetzt.“

Die Audiatorin nickt.

„Ganz genau und das ist auch Bates aufgefallen.“

„Er will, dass ich mich zurückhalte, um nichts aufzuwühlen.“

„Richtig.“

„Und wie sollen wir jetzt vorgehen? Wir müssen den Dämon austreiben, es bleibt uns ja nicht wirklich eine Wahl.“

„Mit äußerster Vorsicht, würde ich raten. Und Herr Kant, halten Sie sich künftig lieber vom Vorsitzenden des Kuratoriums fern.“

„Er weiß davon?“

„Leyton Bates weiß sehr vieles.“

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