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29 Diaboli Dentis

Aktualisiert: 10. Mai 2023

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“Jedenfalls scheint es so, als hätte sein Schutzzauber hervorragend gehalten, hier scheint schon seit Ewigkeiten niemand mehr gewesen zu sein.”

Ich nicke der Professorin nur zu, während wir über das Grundstück gehen und uns dem gewaltigen Bau näheren, der ohne jeden Zweifel das Herz der Anlage darstellt. Rokoko, würde ich mit meinen bescheidenen Architekturkenntnissen vermuten.

”Wann ist er eigentlich…, naja Sie wissen schon…”

”Gestorben meinen Sie?”

Ich nicke.

”Am 30. August 2807, also vor gut 250 Jahren. Ich habe etwas recherchiert als ich Sie auf die Suche nach ihm geschickt habe.”

Ich halte kurz inne, während wir die wenigen Marmorstufen zum Hauptportal des Gebäudes erklimmen.

”Können Sie sich das vorstellen?”

”Was meinen Sie?”

”Wie es damals gewesen sein muss, meine ich.”

”Hier in Falano meinen Sie?”

Die Audiatorin hebt ihre rechte Hand und blickt sich suchend und fühlend vor der Tür um.

”Eindrucksvoll vermutlich, Sie müssen sich vorstellen, der Raumhafen war um ein Vielfaches kleiner als wir ihn heute kennen, sie waren immer noch mit dem Bau des Founder Circles beschäftigt zu dieser Zeit. Wenn Sie sich vorstellen, dass wir alleine im letzten Jahrhundert drei neue Ringe gebaut haben, dann kann man schon ein Gefühl dafür bekommen, wie sehr sich Falano verändert hat.”

”Eigentlich unvorstellbar.”

”Geprägt von Aufbruchsstimmung und dem Greifen nach den Sternen, immerhin lebten zu dieser Zeit noch die meisten Leute auf ihren Heimatplaneten.”

Leya Kor hält kurz inne, ehe sie einige Worte zur Tür hin flüstert.

”Hm, scheinbar war das schon alles, er hat nur einen Schutzzauber über das gesamte Grundstück gelegt.”

Sie greift nach der Klinke und drückt sie nach unten. Die Tür schwingt nach innen auf und wir treten langsam ein.

Wir finden uns in einer gepflasterten Eingangshalle wieder, die mittig über eine breite Treppe ins Obergeschoß übergeht und ebenerdig in alle Richtungen abzweigen lässt. Über uns hängt ein gewaltiger Luster aus geschliffenem Kristall und über der breiten Treppe starrt uns ein junger Merakor aus gemalten Augen entgegen.

”Ich bin mir nicht sicher, ob er Stil hatte oder einfach nur größenwahnsinnig gewesen ist.”

Die Audiatorin nickt mir nur knapp zu.

”Ein bisschen von beidem vermute ich.”

”Wir sollten hier vermutlich warten, bis er und Sean zu uns stoßen.”

Leya Kor nickt, während sie an eine Tür im Erdgeschoß herantritt.

”Vermutlich haben Sie recht.”

Sie drückt die Tür auf und tritt in den Raum dahinter. Ich folge ihr sofort unbehaglich und wir finden uns in einem Trophäenzimmer wieder. Zig Vitrinen von unterschiedlichen Größen finden sich hier und zeigen verschiedenste ganz und gar fremdartige Exponate, die nicht aus unserer Welt sein können.

”Zumindest hat er nicht gelogen.”

Meint die Professorin, die vor einem winzig kleinen Gegenstand hinter einer Vitrine zum Stehen kommt. Ich trete neben sie und lese das Kärtchen.

”’Diaboli Dentis’, Zahn des Teufels? Was soll das sein?”

”Genau das, was es sagt.”

”Wie kann das sein?”

”Der Legende nach hat Herr Merakor Polymeropulos dem Teufel selbst ein grässliches Schnippchen geschlagen indem er seinem Koch einen Diamanten in die Zutaten gemischt. Als der Teufel speiste biss er auf den Edelstein und verlor einen seiner pechschwarzen Zähne. An seiner Stelle setzte er schließlich eben jenen Diamanten als Zeichen seiner Unerschrockenheit und Stärke ein.”

”Aber das ist nur eine Legende, das kann doch unmöglich die Wahrheit sein… oder?”

”Ich dachte es sei eine Legende, aber hier liegt er und angesichts unserer momentanen Situation halte ich langsam nichts mehr für unmöglich, Sie schon?”

Ich schüttle den Kopf.

Die Welt ist komplett irre geworden.

”Und was ist das?”

Ich deute auf ein Glas gefüllt mit einer gelblichen Flüssigkeit in der ein dunkles Stück schwimmt.

”’Jecur Promethei’, ich habe keine Ahnung, was das heißen soll.”

”Sieht aus wie etwas Organisches, wenn es in einem Konservierungsmittel eingelegt ist.”

”Ein Stück der Leber des Prometheus ist das.”

Leya und ich fahren erschrocken von der Vitrine hoch und nehmen schließlich Merakor wahr, der gerade durch den Raum zu uns herübergeschwebt kommt.

”Herr Polymeropulos, ich bitte Sie, kündigen Sie sich das nächste Mal deutlicher an, mir wäre beinahe das Herz stehen geblieben.”

Der Geist wirft uns einen wehleidigen Blick zu.

”Ich bitte vielmals um Entschuldigung.”

”Ich weiß, ich werde die Frage bereuen, aber wie um alles in der Welt sind sie an diese Leber gekommen und vor allen Dingen warum?”

Polymeropulos nickt mir erklärend zu.

”Sie kennen sicherlich die Legende des Prometheus und wie er den Menschen auf Terra das Feuer gebracht hat? Der Geschichte nach wurde er dafür von seinem Vater Zeus ins Kaukasusgebirge gekettet wo fortlaufend ein Adler sich an seiner Leber gütlich tat.”

”Eine unappetitliche Geschichte.”

”Das hört sich jetzt natürlich tragischer an als es war, denn die Leber ist mal für mal wieder nachgewachsen und hat sich vollständig erneuert. Was auch der Grund dafür ist, weshalb ich mich ihrer ermächtigen musste, auch wenn sie mir letztlich nicht mehr übermäßig viel genutzt hat.”

Langsam wird es mir klarer.

”Herr Polymeropulos, woran sind Sie eigentlich gestorben?”

Der Geist wendet sich von uns ab und die Professorin wirft mir einen unangenehmen Blick zu. Diese Frage hätte ich mir wohl besser verkneifen sollen.

”Sie brachte sie so dringend, aber sie konnte sie nicht annehmen. Nein, das konnte sie nicht. Sie konnte…”

Der Geist treibt nach oben, der Decke entgegen, während er wie weggetreten vor sich hinmurmelt.

”Das, nein, sie konnte nicht… sie konnte… nicht… Er hätte es schaffen können, aber sie, sie ließ es nicht zu, ließ es nicht zu…”

Die Audiatorin runzelt die Stirn.

”Wer? Wer konnte sie nicht annehmen?”

”Silvi, meine Silvi. Leberzirrhose, ohne Vorwarnung oder Grund. Plötzlich und völlig unverhofft, dann wollten wir die Transplantation durchführen aber ihr Blut, es stimmte nicht… nein, es stimmte einfach nicht…”

”Herr Polymeropulos ist alles in Ordnung mit Ihnen?”

Plötzlich hält der Geist inne und dreht sich wieder zu uns.

”Natürlich, natürlich, es hat mich wohl etwas überwältigt, wissen Sie”, der Geist blickt uns mit großen Augen an, “Ich bin seit meinem Tod nicht mehr hier gewesen.”

Ich nicke Merakor langsam zu.

”Ja, ja, das glaub ich Ihnen, Herr Polymeropulos, das glaub ich Ihnen.”

Was war das denn?

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