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4 Die Kollegin

Aktualisiert: 10. Mai 2023

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„Bitte, die Herren, das wären die privaten Räume von Lady Sarah Liliac Kohling. Sollten Sie noch irgendetwas benötigen, können Sie sich natürlich gerne an mich wenden. Herr Kohling wird erst spät aufs Anwesen zurückkommen, daher fürchte ich, dass Sie gegebenenfalls mit mir Ihr Auskommen finden müssen.“

„Wir bedanken uns, wir wollen uns nur etwas umsehen.“

Gebe ich dem Angestellten von Kohling zurück.

„Hat die Gemächer jemand betreten, seit der Nachricht ihres Todes?“

„Ausgeschlossen, es gibt diesbezüglich ein strenges Protokoll, aber ich kann Ihnen natürlich gerne das Bildmaterial der Kameras zur Verfügung stellen.“

„Das wäre ausgezeichnet, könnten Sie es direkt in unser Büro schicken lassen?“

„Selbstverständlich, benötigen Sie sonst noch etwas?“

„Kannten Sie Frau Kohling gut?“

„Lady Sarah lebte sehr in ihrer eignen Welt und duldete keine Angestellten in ihren Gemächern, wenn sie anwesend war. Und seit sie vor ein paar Wochen angefangen hat diese Fratzen überall hinzumalen, hätte das auch keiner meiner Leute mehr gewollt. Es hatte schon etwas bizarres, ganz ohne schlecht über unsere Dame sprechen zu wollen, aber es war doch etwas schauerlich. Das hat mich Ihre Kollegin aber eh auch schon gefragt, vielleicht wollen Sie sich mit ihr noch einmal rücksprechen?“

„Unsere Kollegin?“

„Ja, die Dame hinter Ihnen.“

Der Angestellte deutet auf den Durchgang ins nächste Zimmer durch den just in diesem Moment eine Frauengestalt tritt.

„Kant und Barres, wie immer einen Schritt hinten. Es wundert mich, dass ihr überhaupt auf die Idee gekommen seid hier vorbeizuschauen, wo ihr doch sonst immer dazu neigt, das Offensichtliche hinten anzustellen.“

„Dann wäre ja keine Arbeit für Sie mehr übrig, Kollegin Schönfels.“

„Das Feingespür von einem Elefanten, wo lernt man eigentlich so konsequent das Falsche in jeder Situation zu sagen, Herr Kant? Auf einer Schule kanns ja nicht gewesen sein, wahrscheinlich eine Gabe.“

„Alles kann man halt nicht lernen, deshalb haben Sie wohl auch schon beim kleinen Einmaleins aufgegeben. Aber zum Glück zählt ja nicht nur Leistung, um einen Posten zu erhaschen, nicht wahr?“

„Was wollen Sie mir damit unterstellen?“

„Tja, Gott gibt nicht mit beiden Händen.“

„Schluss jetzt, was ist das immer zwischen euch?“

Barres stellt sich abwehrend zwischen uns.

„Also Emilia, was hast du für uns?“

„Seh ich etwa aus wie die Spurensicherung?“

„Mit Schuhgröße fünfzig wohl eher ‚Spurenvernichtung‘, also gibts etwas, dass Sie nicht zerstört oder übersehen haben, bei Ihren ‚Nachforschungen‘?“

„Meine ‚Nachforschungen‘ waren überaus erfolgreich, aber bitte, wenn ihr unbedingt darauf besteht die Arbeit doppelt erledigen zu wollen, dann treffen wir uns später auf der Wache.“

„Ist gut.“

Barres starrt mich wie ein Irrer an.

„Natürlich wollen wir das nicht. Bitte Emilia, was hast du herausgefunden? Herr Kant hat das nicht so gemeint.“

„Entschuldige Frau Schönfels, bitte, was haben Ihre kleinen Äuglein dort drin schon ausfindig machen können?“

„Leider weder Ihre Kompetenz als Inspektor, noch Ihre Würde als Mensch, Kant. Aber viele abstrakte Skizzen und wildes Gekritzel, sieht aus als hätte sie irgendwelche irren, stark verzerrten Gesichter treffen wollen. Der Angestellte Herr Hornig meinte sie litt seit Wochen unter Alpträumen. Um ganz ehrlich zu sein, für mich sieht das sehr stark nach Selbstmord aus, die Frau war krank. Eine Schande, dass sie nicht rechtzeitig Hilfe für ihr offensichtlich seelisches Leiden bekommen hat.“

Ich wandere durch die Gemächer und fertige wieder Skizzen an, in diesen Räume hat sich der Schleier ihres Todes gesenkt, das spüre ich ganz klar.

„Hast du schon Neuigkeiten aus der Pathologie?“

Emilia nickt sofort.

„Nikotin in tödlicher Dosierung auf einem Pflaster. Es muss so gewirkt haben, dass es erst nach etwa einer Stunde zum Tod geführt hat. Sie ist praktisch im Gehen zusammengesunken und schließlich auf der Straße verendet. Leider in einem gut betuchten Viertel, wo sonst keiner zu Fuß unterwegs ist.“

„Das würde dann wohl auch für den Selbstmord sprechen, sie wollte nicht gerettet werden.“

„Meine Rede.“

Ich fühle, wie sie mich abschätzig eines Blickes würdigt, während ich weiter skizziere.

„Ich werde dann mal meinen Bericht von meiner Untersuchung hier schreiben. Viel Glück noch euch beiden, auf etwas anderes könnt ihr eh nicht hoffen.“

„Tschau Emilia.“

Die Tür fällt hinter ihr zurück ins Schloss.

„Musste das sein, Kant?“

Ich lasse mich nicht in meinem Strichfluss beirren.

„Was denn?“

„Das mit Emilia? Ich weiß ja, dass Sie ihr das noch nachtragen, aber das ist schon Jahre her. Irgendwann müssen auch Sie darüber hinwegkommen. Es hat Sie ja noch nicht mal direkt betroffen.“

„Ich trage ihr nichts nach. Ich laste es ihr an, das ist etwas völlig anderes. Hat sie sich denn je bei Ihnen entschuldigt? Oder bei Wai?“

„Natürlich nicht, Sie kennen sie.“

„Dann werde ich an meinem Verhalten ihr gegenüber auch nichts ändern. Sie weiß genau, warum ich zu ihr bin, wie ich bin und anstatt sich zu bessern, begegnet sie mir noch niveauloser als je zuvor. Dann werden wir wohl sehen wer von uns beiden weiter senken kann.“

„Wohl eher ‚sinken‘, bitte Naldor, vergessen Sie es. Das steht doch in keinem Verhältnis zu dem was passiert ist.“

„Was ist denn passiert, Sean?“

„Zwingen Sie mich jetzt bitte nicht darüber zu reden.“

„Mach ich nicht. Denn dann wäre ich ja nicht besser als sie.“

Ich klappe mein Notizbuch zu und trete zu Barres ins Vorzimmer zurück.

„Wo gehts als Nächstes hin?“

„In dieser Situation frage ich mich immer, wohin würde Emilia Schönfels jetzt wohl gehen?“ Sean blickt mich mit großen Augen an.

„Auf die Wache, um den Bericht fertig zu schreiben, dass es sich um Selbstmord handelt?“

„Genau, und deshalb gehen wir jetzt ...“

Barres zuckt mit den Schultern.

„Ich fürchte ich kann Ihnen nicht folgen.“

„Ins Clubhaus der Aradan natürlich.“

„Genau, weil ...“

„Wir etwas haben, was die wunderbare Inspektorin Emilia Schönfels nicht hat.“

„Nämlich?“

„Eine Idee, echte Informationen und Anhaltspunkte, dass es sich um weit mehr handelt als nur um Selbstmord im klassischen Sinne.“

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