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AutorenbildSilven Aku

28 Interfector Daemoniorum

Aktualisiert: 10. Mai 2023

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“Lassen Sie sich ruhig ein bisschen Zeit, Herr Kant. Ich möchte nicht, dass Sie uns so kurz nach Ihrem Erwachen schon wieder abhanden kommen.”

”Die Zeit drängt oder nicht?”

Die Audiatorin nickt.

”Natürlich tut sie das, sehen Sie sich nur an, aber bewusstlos nutzen Sie uns am wenigsten.”

Ich schaffe es schließlich mein Gewand anzulegen und in meine Schuhe zu schlüpfen. Dann schnappe ich mir den Gehstock und versuche ein paar Schritte zu machen.

”Geht es?”

”Mhm.”

”Das Anwesen von Herrn Polymeropulos liegt scheinbar nicht weit von hier im Bezirk Cognac.”

”Haben Sie einen Gleiter?”

”Ich fürchte damit kann ich nicht dienen, aber eine Linie der Farlines sollte uns in ein paar Minuten dorthin bringen können. Angesichts unserer besonderen Mission würde ich nur ungern ein Flugtaxi bestellen.”

”Hat uns der Nuntius im Blick?”

Leya Kor hebt nur eine Augenbraue.

”Der Nuntius hat uns immer im Blick. Aber wir müssen es ihm nicht leichter machen als es ist.”

Ich nicke nur knapp.

”Dann lassen Sie uns aufbrechen. Je schneller wir Terra erreichen, desto besser.”

Wir verlassen das Apartment der Audiatorin und bewegen uns zielstrebig zum Bahnhof der Ordensquartiere. Wir nehmen die zweite Bahn, die uns auf geradem Wege zum Cognac Traffic Hub bringt. Cognac ist ein relativ alter Bezirk der Sternenstadt, ursprünglich gegründet um tatsächlich Weinbergfarmen in Falano zu etablieren. Daher auch die besondere Geographie des Bezirkes, die sich in Form von Hügeln über mehrere Quadratkilometer erstreckt. Relativ rasch wurde allerdings klar, dass zumindest die Kultur von Weingütern in einem Raumhafen nicht ökonomisch funktionieren kann und anschließend waren die Gründe rasch von der Oberschicht ausverkauft worden, um Domizile errichten zu können, die denen auf der Erde ähneln sollten. Die einen natürlich mehr als die anderen, aber wohlhabende Personen haben nur allzu oft diesen ganz absonderlichen Drang selbst zum Reißbrett greifen zu müssen, was letztlich häufig in völlig lächerliche architektonische Konglomerate resultiert.

”Es wundert mich nicht, dass ein Mann wie Polymeropulos hier ein Anwesen besitzt.” Die Professorin nickt mir zu, während wir uns zu Fuß weiter auf den Weg machen.

”Besitz scheint ihm grundsätzlich relativ wichtig zu sein.”

”Warum glauben Sie war er so... ist er so?”

”Polymeropulos?”

Die Audiatorin hält kurz inne.

”Es gibt kaum Informationen über ihn, vor seiner Karriere als Dämonologe. Wenn er die Wahrheit gesagt hat, dann stammt er von Terra, genauer gesagt aus Europa, Wales.”

„Glauben Sie er stammt aus schlechten Verhältnissen?“

Ich versuche mich durch das Gequatsche von den beißenden Schmerzen abzulenken, die sich gefühlt durch jede einzelne Faser meiner Muskeln arbeiten.

Die Audiatorin runzelt die Stirn.

“Ich weiß es nicht, ehrlich gesagt. Meinen Sie er ist deshalb so vernarrt in seine Besitztümer, weil er sich alles selbst erarbeiten musste? Aber dann würde er sich doch in die Situation von schlechter Betuchten hineinversetzen können, warum hat er sein ganzes Zeug dann nicht, keine Ahnung, gespendet?“

”Damit wir jetzt genau diese Chance nutzen können.”

”Sie glauben an Schicksal, Herr Kant?”

”Meiner Meinung nach ist es das vernünftigste, sofern man an irgendetwas glauben möchte.”

Die Audiatorin blickt mich von der Seite her an, während ich kaum noch zu Atem komme. Sie deutet mir an, dass wir eine kurze Verschnaufpause einlegen, die ich mit einer Handgeste dankbar annehme.

”Wie kommen Sie zu diesem Schluss?”

”Freunde und Familie kommen und gehen, sowie es günstige Gelegenheiten und Pech tun. In all diesem Wirrwarr mag es vieles geben, aber keine Ordnung.”

Die Professorin blickt mich mit hochgezogener Augenbraue an.

”Und dennoch glauben Sie an Schicksal? An jene ungreifbare ganz und gar verborgene Ordnung einer unsichtbaren Macht?”

Ich schüttle den Kopf, während ich wieder Luft in meine Lungen sauge.

”Oh, nein, ganz und gar nicht. Ich denke nicht, dass es eine Ordnung hinter all dem gibt oder ein verborgener Geist unsere Leben dirigiert.”

”Warum also Schicksal?”

Wir machen uns wieder langsam auf den Weg.

”Ganz ehrlich?”

Leya Kor nickt.

”Weil es einfach ist.”

”Das ist Ihr Grund, um an das Schicksal zu glauben? Weil es einfach ist?”

Ich zucke mit den Schultern.

”Warum glaubt irgendjemand an irgendetwas? Weil es dem Chaos des Lebens eine Maske der Ordnung aufzusetzen versucht.”

”Und das funktioniert für Sie?”

Ich nicke.

”Ich denke es funktioniert für die meisten Leute, denken Sie nicht?”

”Ich bin eine Forscherin, ich denke, da sprechen Sie mit der falschen Person.”

Ich rümpfe die Nase.

”War es Schicksal, dass Sie heute an der Akademie der Walaux in Falano dozieren?”

Die Professorin zuckt mit den Schultern.

”Ich weiß nicht, ich denke es besteht zumindest die Möglichkeit.”

”Und wenn nun jede einzelne Ihrer Handlungen während Ihres gesamten Lebens Sie genau hierher geführt hat, würden Sie das bejahen?”

”Das steht wohl außer Frage, sonst würde ich heute nicht mit Ihnen diesen Weg entlanggehen.”

”Also könnten Sie rückblickend relativ einfach Ihren Lebensweg skizzieren, der Sie genau zu diesem Punkt geführt hat?”

”Selbstverständlich.”

”Und die Leute sprechen von Schicksal. Die Wahrheit ist, dass ein jeder von uns rückblickend seinen Lebensweg aufzeichnen kann und irgendwo hingekommen ist. Das lässt sich nun einmal nicht ändern, und vielleicht können wir mit unseren Taten tatsächlich etwas bewirken und so unser Schicksal schmieden, aber am Ende des Tages gibt es für uns nur unsere eine Wirklichkeit und wir leben nur in einem dieser angeblich unendlichen Multiversen. Man kann es nennen wie man will, aber es gibt Meilensteine in unseren Leben und wir müssen immer versuchen das beste aus ihnen zu machen, denn in jenen Zeitpunkten in denen sie in unserem Leben spürbar werden, haben wir bereits jegliche Möglichkeit verloren noch irgendetwas an ihnen zu ändern.”

Ich blicke auf meine Smartwatch, die mir zu erkennen gibt, dass wir unser Ziel bald erreicht haben.

”Es ist also weniger eine Frage des Glaubens, als des Akzeptierens.”

”Und das ist einfach für Sie?”

”Sie können ja nichts mehr an ihrem Schicksal ändern, wenn es eingetreten ist. Es bleibt Ihnen nicht sehr viel mehr übrig als es zu akzeptieren, oder?”

”Das sind interessante Gedanken, Herr Kant. An Ihnen ist ein Philosoph verloren gegangen.”

Mir kommt ein trockenes Lachen aus.

”Glauben Sie mir, Frau Professor, ich bin froh, wenn ich mich nicht mit meinen Gedanken beschäftigen muss. Die sind mir zuweilen die unliebsten Zeitgenossen geworden.”

Wir biegen ab und finden uns auf einer verwilderten und zerbröckelnden aber immer noch majestätischen Einfahrt wieder, die in einem gusseisernem Tor endet. Über dem Portal ist eine vergoldete Inschrift angebracht: Interfector Daemoniorum.

Die Professorin und ich werfen uns mit hochgezogenen Augenbrauen einen Blick zu.

”Ja, er hatte schon einen Schaden irgendwo.”

”Jup, ganz rund lief der nicht.”

”Fühlen Sie das?”

Die Audiatorin hält ihre Hand vor das Tor und die Luft scheint wie über heißen Gluten zu wabern.

”Ein Schutzzauber?”

Leya Kor nickt.

”Und ein sehr mächtiger noch dazu, lassen Sie mich sehen, was ich hier machen kann.”

Die Professorin holt eine Zauberformel aus ihrem Buch hervor und beginnt den Text zu rezitieren, während das Blatt in Flammen aufgeht und sich das Tor wie durch Geisterhand öffnet.

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