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26.3 Traumwandeln

Aktualisiert: 10. Mai 2023

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Ein Schwall von eiskaltem Wasser trifft mein Gesicht und ich fahre aus meinem Schlaf hoch.

Die Professorin steht vor mir, mit einer leeren Karaffe in den Händen.

„Herr Kant, was ist passiert? Ich hatte fast Sorge, ich würde Sie verlieren, Sie haben ganz fürchterlich ihr Gesicht verzogen und um sich gefuchtelt.“

Leya Kor legt mir besorgt die Hand auf die Schulter und reicht mir mit der anderen ein Handtuch, um mein Gesicht abzutrocknen.

Ich starre die Audiatorin nur mit großen Augen an.

„Sie machen ein Gesicht, als hätten Sie einen Geist gesehen, Herr Kant.“

Ich schüttle, wie in Trance den Kopf.

„Keinen Geist, Frau Professor. Einen Dämon.“

Plötzlich scheint es, als würde selbst Leya Kor für einen kurzen Moment den Atem anhalten. Sie lässt sich neben mir auf dem Fauteuil nieder und das Handtuch fällt auf den Boden.

Stille umfängt uns für eine kurze Ewigkeit, ehe sie sich wieder zu mir wendet.

„Und, ist er es?“

Ich nicke.

„Dann ist das wohl der Grund, weshalb wir nichts von ihm gehört und gesehen haben, die ganze Zeit über.“

„Ich fürchte so ist es. Er hat seinen alten Wirtskörper verlassen und sich in einem neuen festgesetzt, einem, den keiner so schnell vermuten würde.“

„Das ist vielleicht gar keine schlechte Ausgangsbasis...“

Die Audiatorin erhebt sich wieder und wandert ruhelos durch den Raum.

„Das bedeutet, er ist nicht in freier Jagd in Falano unterwegs und treibt sein Unwesen. Er kann Ihren Körper nicht verlassen, ehe Sie nicht... Allerdings wird er Ihre Kräfte langsam aufzehren, gut möglich, dass Sie deswegen so lange zu Ihrer Genesung benötigt haben.“

„Ich kann ihn halten. Er wird mich nicht brechen und wenn ich mit ihm sterbe.“

„Das ist zwar wirklich nobel von Ihnen Herr Kant, aber das würde ihn dann nur zu seinem nächsten Opfer treiben. Wir müssen Sie von diesem Parasiten lösen und ihn dann in eine Art Käfig bannen.“

„Welchen ‚Käfig‘ haben Sie dabei im Sinn? Ich denke es wird keine leichte Übung sein einen Dämon zu binden.“

„Also zumindest kennen wir eine Person der so etwas bereits gelungen sein soll und das nicht weniger als 72 Mal.“

Ich runzle die Stirn.

„König Salomon?“

Die Professorin nickt mir zu.

„König Salomon.“

Sie blickt mich mit einem mir seltsam und unangenehm bekannten Gesicht an.

„Oh nein... Nicht noch einmal.“

„Ich fürchte uns bleibt keine andere Wahl, wenn wir Falano nachhaltig schützen wollen, müssen wir mit ihm reden.“

Mir dreht sich beinahe der Magen um, bei dem Gedanken.

„Aber er wird wohl kaum in Falano zu finden sein.“

Leya Kor tritt an eines der zahlreichen Bücherregale heran, die den Raum säumen, zieht ein Buch heraus und schlägt es nach kurzem Blick im Verzeichnis auf. Sie blättert ein wenig, ehe sie innehält.

„‚Nicht weit von dort, der konstantinischen Geburtskirche, ist das Grab von Ezchiel, Asaf, Ijob, Jesse, David und Salomo‘.“

„Das hört sich nach der Erde an.“

Die Professorin nickt, hält kurz inne und lässt ihren Blick schließlich zu mir hinübergleiten.

„Bethlehem.“

„Das liegt außerhalb der Hoheitsgebiete der VEU, oder?“

„Dann wird es wohl Zeit für ein kleines Abenteuer, meinen Sie nicht?“

Darauf könnte ich gerne verzichten, mein Leben ist Abenteuer genug.

„Wir trommeln die anderen zusammen, wir können jede Unterstützung brauchen, die wir bekommen können.“

"König Salomon... in Bethlehem..."

Barres runzelt die Stirn.

"Gibt es das überhaupt noch?"

Leya Kor nickt in die Runde, der sich auch Polymeropulos angeschlossen hat.

"Tatsächlich, nachdem die katholische Kirche ihren Anspruch auf Golgotha fallen gelassen hat, als der Tempel zusammenbrach und alles unter sich für immer begraben hat und ein blutiger Krieg der Religionen auf dessen Ruinen ausgetragen wurde, entschied sie sich Bethlehem zu ihrem neuen Pilgerhotspot zu ernennen."

"Eigentlich auch ein schönerer Gedanke den Geburtsort von jemandem anzupilgern als dessen Grab."

Gibt Barres unter einem knappen Nicken von sich.

"Bei den großen Religionen geht es eher selten um 'schöne Gedanken', aber ich gebe Ihnen Recht, Herr Barres. Auf jeden Fall soll das bedeuten, dass sich Bethlehem zwar außerhalb der Hoheitsgebiete der VEU befindet, aber dennoch relativ gut zu erreichen sein sollte. Genau genommen gehört dieser Landstrich zu den beinahe vollständig unbewohnten Ostwüsten. Dort ist weit und breit nichts mehr, es sollte also kaum zu übersehen sein."

Fährt Leya Kor fort.

"Und wo sollen wir dort nach dem Grab suchen?"

Frage ich an Kor gerichtet.

"Bei der Geburtskirche, mehr kann ich aus den Texten nicht für uns herausholen, leider. Vielleicht können uns die Einheimischen dort mehr erzählen."

Ich senke meinen Blick. Herrlich.

"Dann werden wir nach Bethlehem reisen, da wollte ich schon immer mal hin, um ehrlich zu sein." Raunt Merakor durch den Raum.

"Sie waren bereits tot."

Gibt ihm Sean zurück.

"Und?"

"Ich mein ja nur..."

"Umso mehr werde ich unsere Reise genießen, Herr Barres, dass ich das noch erleben darf."

Barres und ich tauschen einen makaber ironischen Blick.

"Und es gibt sicher keinen anderen Weg, Frau Professor?"

"Nein, ich fürchte den gibt es nicht, Herr Kant. Nicht, wenn wir den Dämon fangen wollen. So leid es mir tut, unsere beste Chance ist es, dass uns der Geist von König Salomon erklären kann, wie wir den Dämon, der in Ihnen gefangen ist, binden können."

"Und wenn er uns nichts sagen kann?"

Plötzlich drängt sich Merakor wieder ins Zentrum.

"Dann treiben wir diesen Mistsack aus und zwingen ihn in das Loch zurück aus dem er gekrochen ist!"

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